Chancen für den Mittelstand
Patente und IP richtig nutzen
Geistiges Eigentum (englisch: Intellectual Property, kurz IP) wird gerade im deutschen Mittelstand häufig stiefmütterlich behandelt. In der Folge werden viele Potenziale nicht genutzt und Chancen verpasst. Doch warum ist das so? Nach meiner Erfahrung gibt es eine Reihe falscher Vorurteile. Auf die häufigsten möchte ich im Folgenden eingehen.
Nur Schutzrecht?
"IP ist nur eine Schutzmaßnahme. Unser Unternehmen sichert sich seit Jahren Wettbewerbsvorteile durch gezielte Forschung und Geheimhaltung."Diese Annahme birgt zwei Probleme. Zum einen liegt ein grundlegendes Missverständnis vor. Auch wenn der Name Schutzrecht etwas anderes suggeriert und zugegebenermaßen nicht ganz glücklich gewählt ist: Schutzrechte wie Patente sind Verbietungsrechte. Der Inhaber erhält das Recht, Dritten die Nutzung der entsprechenden Technologie zu verbieten.
Andererseits muss das Gleichgewicht zwischen Geheimhaltung und Offenlegung wohl überlegt sein. Geheimhaltung sollte jedoch nicht das einzige Mittel der Wahl sein. Zunächst sollte man sich bewusst sein, dass es in der Regel nicht notwendig ist, sein gesamtes Know-how offen zu legen, um ein Schutzrecht zu erhalten. Zudem verschafft IP dem „First Mover“, also dem Erstanmelder einer Technologie, einen immensen Vorteil. Durch gezielte Schutzrechte ist es möglich, eine Marktnische zu besetzen. Die „Follower“, also Wettbewerber ohne entsprechendes IP, müssen die Schutzrechte beachten und sind in ihrem Handlungsspielraum eingeschränkt. Zudem sind die Rechtskosten zur Verteidigung der Marktposition, z.B. um gegen die Schutzrechte vorzugehen, meist deutlich höher als die Kosten des Inhabers zur Erlangung der Schutzrechte.
Insbesondere vor dem Hintergrund der Globalisierung und einer Vielzahl chinesischer Anmelder auf dem europäischen Markt gewinnt diese Dynamik zunehmend an Bedeutung. Gezielte Schutzrechte sind ein probates Mittel gegen „Copy Cats“ (Nachahmer) und schaffen Handlungsoptionen. Es empfiehlt sich, ausgewählte Aspekte durch Schutzrechte abzudecken, auch um später nicht von IP vermeintlicher Konkurrenten überrascht zu werden.
Viel zu teuer?
"Patente sind teuer und kompliziert. Gegen die großen Konzerne haben wir letztlich keine Chance."Es ist durchaus richtig, dass ein mittelständisches Unternehmen einen Großkonzern in der Menge (Quantität) der Schutzrechte nicht überbieten wird. Die gute Nachricht ist jedoch, dass dies auch nicht notwendig ist. Große Konzerne sind in der Regel nicht innovativer als kleine Unternehmen. Durch gewachsene Konzernstrukturen gibt es sogar viele „Reibungsverluste“ im Tagesgeschäft. Aus diesem Grund wird im IP-Bereich oft auf Quantität gesetzt, um keine Innovation unberücksichtigt zu lassen. Hier können mittelständische Unternehmen ansetzen. Durch die Nutzung der vorhandenen Agilität und Effizienz kann ein kleines, hochwertiges (qualitatives) IP-Portfolio aufgebaut werden. So kann auch mit weniger Schutzrechten ein relevanter Gegenpol geschaffen werden. Denn auch im IP-Bereich gilt: Qualität schlägt Quantität.
Innovation nicht ausreichend?
"Unser Unternehmen besetzt eine Nische, in der seit Jahren nur inkrementelle und kleine Verbesserungen vorgenommen werden. Daher sind Schutzrechte für uns nicht relevant."Es ist wichtig zu verstehen, dass eine Erfindung auch einen sehr geringen Unterschied (erfinderische Höhe) zum Bekannten (Stand der Technik) aufweisen kann. Die wirtschaftliche Bedeutung steht dabei in keinem Zusammenhang mit der erfinderischen Höhe. Es ist möglich und durchaus sinnvoll, auch in Nischen mit langen Entwicklungszyklen ein wertvolles IP-Portfolio aufzubauen. Auch hier spielt der bereits erwähnte First-Mover-Effekt eine entscheidende Rolle. Natürlich ist es einfacher, gezielt Schutzrechte für inkrementelle Verbesserungen anzumelden, als sich gegen kreative Schutzrechtsansätze der Konkurrenz juristisch zur Wehr zu setzen.
Wie gehen Sie als kleines oder mittleres Unternehmen (KMU) mit Ihrem Know-how und geistigen Eigentum um? Sind Schutzrechte bereits fester Bestandteil Ihres Innovationsmanagements?